FAQ
Was ist Speziesismus und was ist Antispeziesismus?
Speziesismus ist eine Ideologie, die davon ausgeht, dass das Leben und die Interessen der Tiere missachtet werden dürfen, auf Grund der Tatsache, dass sie einer anderen Art angehören. Der Begriff Speziesismus kann als Analogie zum Rassismus oder Sexismus verstanden werden; der Speziesismus will die Tiere aus dem Kreis der moralischen Berücksichtigung ausschliessen.
Der Antispeziesismus ist die Ablehnung der Haltung, dass die Spezies eines Lebewesens ein Argument sein kann, dessen Interessen und Leben nicht zu berücksichtigen.
Was bedeutet die Gleichberechtigung von Tieren?
Menschen, Delfine, Kängurus, Schimpansen, Hasen, Fische, Mäuse, Schweine, Tauben, Hunde, Seepferdchen, Eichhörnchen... Wir sind alle empfindsame Lebewesen und leben auf demselben Planeten. Abhängig von unserer Leidensfähigkeit und unserer Fähigkeit zur Freude/zum Genuss kann unser Leben gut oder schlecht verlaufen. Was wir im Verlaufe unseres Lebens empfinden, beschäftigt uns, weswegen wir das Bedürfnis haben, dass unser Leben möglichst gut verläuft. Deshalb streben wir alle ein möglichst langes, glückliches Leben an und versuchen, Leiden und Gewalt zu vermeiden.
Ethik beruht darauf, dass sie die Realität über das Erscheinungsbild von Wesen hinaus in Betracht zieht. Sie beruht im Wesentlichen darauf, die Interessen aller auf derselben Waage zu gewichten, ohne willkürliche Diskriminierung, ohne Alter, Rasse, Geschlecht, Art, Intelligenz, Schönheit, Stärke, sozialer Status oder irgendetwas anderes zu berücksichtigen.
Ein Beispiel: Wenn ein Lebewesen leidet, dann gibt es keine moralische Rechtfertigung, dieses Leiden nicht zu berücksichtigen. Unabhängig von der Spezies des empfindungsfähigen Wesens fordert das Prinzip der Gleichberechtigung, dass seine Leiden gleich bewertet werden wie vergleichbare Leiden eines jeden anderen fühlenden Lebewesens.
Verpasst beispielsweise ein Mensch einem Pferd einen Schlag, so spürt dieses nur einen geringen Schmerz, da es gut von seinem dicken Leder geschützt ist. Wird jedoch ein Kleinkind geohrfeigt, wird dieses zu schreien beginnen, da seine Haut viel sensibler ist. Ein Kleinkind zu ohrfeigen ist folglich schlimmer als ein Pferd zu schlagen, selbst wenn die Schläge mit gleicher Kraft ausgeführt werden. So muss gefolgert werden, dass es ungerechter ist, ein Kleinkind zu ohrfeigen als ein Pferd zu schlagen. Umgekehrt gibt es (leider) andere Arten ein Pferd zu schlagen, wie zum Beispiel mit einem dicken Stock, was einem Pferd genauso viel Leiden bereitet wie einem Kind, das geohrfeigt wird. Gemäss dem Prinzip der gleichen Berücksichtigung der Interessen ist das Schlagen eines Pferdes auf diese Weise genauso ungerecht wie das Ohrfeigen eines Kleinkindes (Beispiel von Peter Singer).
Kurz, die Gleichberechtigung der Tiere bedingt eine Ausweitung des moralischen Kreises auf alle fühlenden Wesen, womit deren Interessen auch einbezogen werden.
Die Gleichheit der Tiere bedeutet auch, dass allen Tieren ein inhärenter, gleicher Wert eigen ist. Der inhärente Wert eines Individuums ist unabhängig von jeder Nützlichkeit für andere. Das Gerechtigkeitsprinzip verlangt, dass jedes empfindsame Wesen gemäss seinem inhärenten Wert behandelt wird. Folglich darf kein solches Wesen als Mittel zum Zweck benutzt werden und es muss jedem fühlenden Wesen, das ungerecht behandelt wird, geholfen werden.
Was bedeutet es, dass das Leben einer Fliege gleichwertig ist wie jenes eines Menschen?
Die meisten antispeziesistischen Philosophen (Peter Singer, Tom Regan, Stephen Clark, Paola Cavalieri, Mary Midgley, Martha Nussbaum etc.) sagen, dass man manchmal aus nicht speziesistischen Gründen die Rettung eines Menschen der Rettung eines anderen Tieres vorziehen dürfe.
Stellen wir uns vor, ein Haus brennt. Eine alte Dame befindet sich in der einen Wohnung, ein kleiner Junge in einer anderen. Ein Feuerwehrmann kann nur einen der beiden retten. Wenn er nun den kleinen Jungen anstelle der alten Dame rettet bedeutet dies offensichtlich nicht, dass er dies aus sexistischen Gründen tut und das Individuum seines eigenen Geschlechts vorzieht. Wahrscheinlicher ist, dass der Feuerwehrmann die jüngere Person retten möchte mit dem Gedanken, dass die ältere Person schon viel erlebt hat, während der Junge noch Jahrzehnte vor sich hat und deshalb mit dem Verlust seines Lebens viel mehr verliert als die alte Dame. Diese Handlung hat also nichts mit Sexismus zu tun.
Dieselbe hypothetische Situation ergibt sich, wenn wir uns vorstellen, dass der Feuerwehrmann zwischen der Rettung eines Menschen und jener einer Maus entscheiden muss. Man könnte sich für den Menschen entscheiden mit der Begründung, dass dieser eine 50 Mal höhere Lebenserwartung hat als die Maus (welche ungefähr zwei Jahre leben würde). Der Mensch hätte also mehr zu verlieren als die Maus. Diese Entscheidung wäre nicht speziesistisch, denn wie im vorhergehenden Beispiel wäre sie nicht auf dem Kriterium der Spezies basierend sondern alleine aufgrund der jeweiligen Lebenserwartung. Auch andere nicht-speziesistischen Kriterien könnten herangezogen werden, so zum Beispiel der mögliche subjektive Erfahrungsschatz eines Individuums.
Wenn man also die Rettung des Menschen jener der Maus vorziehen darf, bedeutet dies nicht auch, dass man das Recht hat, Tiere zu töten oder sie für Experimente zu benutzen?
Wird ein Elternteil vor die Wahl gestellt, sein eigenes Kind zu retten oder jenes eines Unbekannten, wird er offensichtlich sein eigenes retten. Dass er die Rettung des eigenen Kindes vorzieht bedeutet aber noch lange nicht, dass er ein anderes Kind töten oder quälen darf.
Ebenso bedeutet dies, dass wir Tiere nicht als « wissenschaftliches Material » in Experimenten benutzen dürfen, auch wenn wir die Rettung eines Menschen jener eines Hundes vorziehen würden.
Zudem besteht ein grosser Unterschied zwischen einer Situation, in der zwei Individuen in Lebensgefahr schweben und zwischen der Rettung des einen oder anderen gewählt werden muss und einer Situation, in der einem wehrlosen Lebewesen absichtlich Gewalt zugefügt wird. Letztere ist bezeichnend für das Gesetz des Stärkeren und deshalb unmoralisch. Im letzten Fall missbraucht man ein fühlendes Wesen als Mittel zum Zweck, ohne Rücksicht auf seinen individuellen Wert.
Bedeutet dies, dass Tiere dieselben Rechte wie Mensch haben sollen?
Frauen profitieren in einigen Ländern vom Recht zur Abtreibung, während Männer dieses Recht nicht haben. Dennoch handelt es sich nicht um eine sexistische Situation. Den Frauen werden lediglich Rechte in ihrem Interesse zugesprochen, welche für Männer sowieso unnütz wären. Analog dazu muss ein Elefant nicht das Recht besitzen, eine Universität besuchen zu dürfen, oder Eichhörnchen das Recht zum Abstimmen erhalten. Eine echte Rücksichtnahme auf die Tiere bedeutet einzig, dass man ihr Recht auf Leben und ihr Recht, nicht gequält zu werden respektiert, und dass unsere Gesellschaft ihre Interessen berücksichtigt.
Unabhängig von der rechtlichen Anerkennung der Tiere könnte die Formulierung neuer Tatbestände auf effiziente Weise tierrechtsmissachtende Handlungen verbieten. Ein spezialisierter Staatsanwalt oder eine spezialisierte Staatsanwältin müsste eingesetzt werden, damit Zuwiderhandlungen verfolgt und bestraft würden.
Was sind die konkreten Auswirkungen einer Berücksichtigung der tierischen Interessen?
Die echte Anerkennung der tierischen Interessen bedeutet, dass sie nicht mehr wie blosse Ressourcen oder als Mittel für unsere Zwecke benutzt werden. Ihre Interessen dürfen nicht mehr vernachlässigt werden aufgrund dessen, dass sie einer anderen Spezies angehören, sondern müssten jenen der Menschen gleichgestellt werden. Eine wirkliche Anerkennung der tierischen Interessen bedeutet der Verzicht auf gängige Praktiken in diversen Gebieten, sei dies im Vergnügungsbereich (Hobbyjagd, Stierkämpfe, Tierzirkus, Zoos), in der Lebensmittelindustrie (tierische Landwirtschaft, Schlachthöfe, Fischerei) oder der Wissenschaft (Tierversuche). Die spezisistischste Praxis, welche die meisten Opfer verursacht ist die Konsumation von tierischen Produkten. 64 Milliarden Landtiere werden weltweit jedes Jahr umgebracht. In derselben Zeitspanne ersticken rund 1000 Milliarden Fische in den Fischernetzen. Aufgrund der Anzahl sind es die Fische, welche die grösste speziesistische Ungerechtigkeit ertragen müssen. Die nicht-vegane Ernährung verursacht auf diese Weise 99.9% der Opfer von Tierausbeutung.
Zum Vergleich: Die Pelzindustrie tötet jährlich 60 Millionen Individuen (0.0057% der Opfer für die Ernährung), Tierversuche verursachen jedes Jahr den Tod von 300 Millionen empfindsamer Wesen (0.028% der Opfer für die Ernährung).
Den Speziesismus zu hinterfragen bedeutet die Rücksichtnahme auf die Interessen aller empfindsamen Lebewesen und bedeutet auch, sich von diversen Praktiken zu verabschieden. Die blutigste aller Praktiken, welche am meisten Opfer generiert, ist der Konsum von tierischen Produkten.
Habt ihr/haben Sie noch weitere Fragen?
Siehe auch die Internetseite: http://www.animal-ethics.org/speciesism-faq/